Arzt hält in einer Hand Cannabisblüten und in der anderen grün-weiße Kapseln – Vergleich von Cannabis und Antidepressiva

Antidepressiva und Cannabis: Ist die Kombination risikolos?

Aufklärung über Wechselwirkungen und potenzielle Risiken bei gleichzeitiger Anwendung

Cannabis und Antidepressiva beeinflussen beide das Gehirn und greifen direkt oder indirekt in ähnliche Systeme ein, wie etwa in das Serotonin- oder Dopamin-System. Da sie meist über dieselben Enzyme im Körper abgebaut werden, kann es bei gleichzeitiger Einnahme zu Wechselwirkungen kommen. Diese können die Wirkung der Medikamente verstärken oder abschwächen und das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen. Besonders bei Jugendlichen, Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen oder instabiler Medikation ist Vorsicht geboten. Ärztliche Begleitung ist deshalb sehr wichtig, um Risiken frühzeitig zu erkennen und die Behandlung sicher anzupassen.

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Letzte Änderung:

4.8.2025

Das Wichtigste in Kürze
  • Antidepressiva und Cannabis werden in der Leber über die gleichen Enzyme verstoffwechselt, weshalb Wechselwirkungen auftreten können.
  • Die gleichzeitige Einnahme beider Substanzen kann riskant sein.
  • Vor der kombinierten Anwendung sollte unbedingt ein ärztliches Gespräch stattfinden.

Wie wirkt Cannabis im Körper?

Cannabis beeinflusst zahlreiche Prozesse im Körper, indem es mit dem sogenannten Endocannabinoid-System (ECS) interagiert. Dieses körpereigene Regulationssystem spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts (Homöostase). Es ist an wichtigen Funktionen beteiligt – darunter Stimmung, Schlaf, Appetit, Schmerzverarbeitung, Immunreaktionen und Gedächtnisleistung.

Das Endocannabinoid-System besteht aus drei Hauptteilen:

  • Rezeptoren, die sich auf den Zellen befinden und Signale empfangen.
  • Endocannabinoide, das sind körpereigene Botenstoffe, die diese Rezeptoren aktivieren.
  • Enzyme, die dafür sorgen, dass die Endocannabinoide bei Bedarf hergestellt oder abgebaut werden.

Die Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), die in der Cannabis-Pflanze vorkommen, haben eine ähnliche Struktur wie die körpereigenen Endocannabinoide. Deshalb können Cannabinoide an die gleichen Rezeptoren im Körper andocken. Wenn Cannabis inhaliert wird, gelangt beispielsweise THC über die Lunge in den Blutkreislauf und schließlich ins Gehirn. Dort bindet es sich vor allem an die CB1-Rezeptoren, die Teil des ECS sind. Dadurch entsteht das typische High-Gefühl.

Insgesamt beeinflusst Cannabis also viele Bereiche des Körpers, besonders das Gehirn. Die Wirkungen können sowohl kurzfristig als auch langfristig sein und sie hängen stark davon ab, wie oft, wie viel und in welcher Form Cannabis konsumiert wird.

THC und das Dopamin-System

Zusätzlich beeinflusst THC auch das Dopamin-System im Gehirn. Dopamin ist ein Botenstoff, der dabei hilft, Freude und Motivation zu empfinden, zum Beispiel nach dem Essen, beim Sport oder bei angenehmen Erlebnissen. Wenn THC den Dopamin-Spiegel kurzfristig erhöht, kann das zu einem Glücksgefühl führen. 

Allerdings kann es bei regelmäßigem oder sehr häufigem Konsum zu Problemen kommen. Das Gehirn kann sich an den erhöhten Dopamin-Spiegel gewöhnen. Mit der Zeit reagiert das Belohnungssystem dann nicht mehr so stark auf natürliche Reize wie gutes Essen oder soziale Kontakte. Das heißt, Dinge, die früher Freude gemacht haben, wirken weniger befriedigend. So kann Cannabis bei übermäßigem Gebrauch das Gegenteil bewirken und langfristig das emotionale Gleichgewicht stören.1

Hängen Depressionen mit der Neurogenese zusammen?

Forschende vermuten, dass Depressionen mit der sogenannten Neurogenese zusammenhängen, also der Bildung neuer Nervenzellen im Gehirn. Ein gesundes Maß an Neurogenese ist wichtig für ein stabiles seelisches Wohlbefinden. Stress oder traumatische Erlebnisse können diesen Vorgang verlangsamen, was möglicherweise zu depressiven Symptomen führt. Es gibt Hinweise darauf, dass das Endocannabinoid-System diesen Prozess beeinflussen kann. Wirkstoffe aus Cannabis wie THC oder CBD könnten daher auch positive oder negative Auswirkungen auf die Neurogenese haben.²,³

Potenzielle Wirkung von CBD

Ein weiterer wichtiger Inhaltsstoff von Cannabis ist CBD. Im Gegensatz zu THC macht CBD nicht „high“. CBD wirkt aber ebenfalls im Nervensystem, unter anderem auf das sogenannte Serotonin-System, das eine zentrale Rolle für die Stimmung und das Wohlbefinden spielt. Es gibt Hinweise darauf, dass CBD helfen kann, Angst oder innere Unruhe zu lindern, zum Beispiel bei Menschen mit Angststörungen oder Schlafproblemen.4

Wie wirken Antidepressiva im Körper?

Depressionen können durch viele verschiedene Faktoren entstehen, zum Beispiel durch belastende Lebensereignisse, eine genetische Veranlagung oder eine Abhängigkeit. Diese Einflüsse können das Gleichgewicht wichtiger Botenstoffe im Gehirn stören und zu Gefühlen von Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit oder einem geringen Selbstwert führen. 

Antidepressiva sollen helfen, indem sie das chemische Gleichgewicht im Gehirn verändern. Sie bewirken, dass Botenstoffe wie Serotonin länger im Gehirn aktiv bleiben. Dabei ist Serotonin dafür bekannt, dass es die Stimmung positiv beeinflusst, weshalb es auch als „Glückshormon“ bezeichnet wird.

Forschungen unterstützen zudem die Hypothese, dass einige Antidepressiva ähnlich wie Cannabis die Neurogenese fördern könnten, was möglicherweise dabei hilft, depressive Symptome zu lindern. Spannend ist auch, dass Antidepressiva mit dem Endocannabinoid-System zusammenarbeiten können. Wenn man Antidepressiva über einen längeren Zeitraum einnimmt, kann das langfristige Veränderungen im Gehirn bewirken, die als positiv für die seelische Gesundheit gelten.5

Welche Antidepressiva gibt es?

Es gibt verschiedene Antidepressiva, die auf unterschiedliche Art und Weise wirken:

  • Trizyklische Antidepressiva (TCAs) sind eine ältere Art von Antidepressiva. Sie verhindern den Abbau der Botenstoffen Noradrenalin und Serotonin im Gehirn. Dadurch können sich Stimmung und Antrieb verbessern. Allerdings haben sie oft mehr Nebenwirkungen als neuere Medikamente.
  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) sind moderne Antidepressiva. Sie sorgen dafür, dass der Botenstoff Serotonin länger im Gehirn wirkt, indem sie seine Wiederaufnahme in die Nervenzellen verhindern. Das kann die Stimmung verbessern und depressive Symptome lindern. Ganz frei von Nebenwirkungen sind SSRIs jedoch nicht. Insbesondere zu Beginn der Einnahme können unter anderem Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel sowie Magen-Darm-Beschwerden auftreten.
  • Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) bewirken, dass Dopamin, Serotonin und Noradrenalin länger im Gehirn verfügbar sind. Hierfür blockieren sie ein Enzym, das diese Stoffe normalerweise abbaut. Das kann helfen, depressive Symptome zu verbessern. Allerdings muss bei der Einnahme von MAO-Hemmern beachtet werden, dass auf verschiedene Lebensmittel, wie zum Beispiel Käse, Soja oder Salami, verzichtet werden muss, da hierdurch Wechselwirkungen entstehen.
  • Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs) wirken, indem sie verhindern, dass Serotonin und Noradrenalin im Gehirn zu schnell abgebaut werden. Damit bleiben diese stimmungsaufhellenden Botenstoffe länger aktiv. Mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem Mundtrockenheit, übermäßiges Schwitzen und Schwindel.

Wechselwirkungen zwischen Cannabis und Antidepressiva

Cannabis enthält Wirkstoffe wie THC und CBD, die im Körper über bestimmte Enzyme in der Leber abgebaut werden. Diese Enzyme gehören zur sogenannten Cytochrom-P450-Gruppe (CYP). Viele Antidepressiva werden ebenfalls über diese Enzyme verstoffwechselt. Wenn Cannabis die Aktivität dieser Enzyme verändert, kann das den Abbau der Antidepressiva beeinflussen. Dadurch können sich die Konzentrationen der Medikamente im Blut erhöhen oder verringern, was die Wirkung und Nebenwirkungen beeinflusst.

Zwar ist die Studienlage noch begrenzt, es gibt jedoch Untersuchungen, die auf folgende mögliche Wechselwirkungen hinweisen:

  • SSRI wie Fluoxetin, Sertralin®, Citalopram®: Cannabis kann den Abbau von SSRIs verlangsamen, was zu höheren Medikamenten-Spiegeln im Blut führen kann. Dies kann das Risiko für Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel oder Müdigkeit erhöhen.6 
  • SNRI wie Duloxetin®: Es wird diskutiert, dass THC die Konzentration von Duloxetin im Blut beeinflussen könnte. Dies kann sowohl zu einer Verstärkung als auch zu einer Abschwächung der Wirkung führen. Eine erhöhte Konzentration kann Nebenwirkungen wie Bluthochdruck oder Schlaflosigkeit verstärken.7
  • TCA wie Amitriptylin®: Cannabis kann die sedierende (beruhigende) Wirkung von trizyklischen Antidepressiva verstärken. Dies kann zu starker Müdigkeit, Schwindel oder Konzentrationsproblemen führen. In einigen Fällen wurden auch Herzrhythmusstörungen beobachtet.8
  • MAO-Hemmer wie Tranylcypromin®: Die Kombination von Cannabis mit MAOs kann womöglich zu erhöhten Konzentrationen dieser Antidepressiva im Blut führen. Dementsprechend können Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Kopfschmerzen oder Unruhe verstärkt werden.9

Vorsicht bei der Einnahme von Antidepressiva und Cannabis

Es wird dringend empfohlen, vor dem Konsum von Cannabis jeglicher Art eine Ärztin oder einen Arzt zu konsultieren, insbesondere wenn bereits Antidepressiva eingenommen werden. So können die individuellen Risiken von ärztlicher Seite bewertet und ggf. die Medikation angepasst werden, um unerwünschte Wechselwirkungen zu vermeiden.

Jugendliche und junge Erwachsene sollten besonders vorsichtig sein. Aber auch Personen mit schweren Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen sollten auf den Konsum von Cannabis verzichten oder ihn nur unter strenger ärztlicher Aufsicht in Betracht ziehen.

Wichtige Hinweise für Betroffene

Betroffene sollten auf folgendes achten:

  • Keine eigenständigen Änderungen der Medikation: Das eigenmächtige Absetzen oder Anpassen von Antidepressiva kann gefährlich sein und sollte nur unter ärztlicher Anleitung erfolgen.

  • Bedeutung ärztlicher Begleitung: Eine enge Zusammenarbeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt ist entscheidend, um die richtige Balance zwischen Medikation und Cannabiskonsum zu finden.

  • Individuelle Risikoabwägung: Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente und Substanzen wie Cannabis. Daher ist eine individuelle ärztliche Bewertung unerlässlich.

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Häufige Fragen

Cannabis kann den Abbau bestimmter Antidepressiva verlangsamen oder beschleunigen, was zu einer verstärkten oder abgeschwächten Wirkung der Medikamente führen kann. Dadurch können Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit oder Blutdruckveränderungen häufiger oder stärker auftreten.

Die gleichzeitige Einnahme von Cannabis und Antidepressiva kann riskant sein, da es zu Wechselwirkungen kommen kann, die die Wirkung der Medikamente verändern oder Nebenwirkungen verstärken. Eine ärztliche Rücksprache ist daher unbedingt erforderlich.

Cannabis kann die Wirkung von Antidepressiva beeinflussen, indem es deren Abbau in der Leber hemmt oder verstärkt, was zu höheren oder niedrigeren Medikamentenspiegeln im Blut führen kann. Dadurch können sich die Wirkung und Nebenwirkungen der Antidepressiva verändern.

Ob man Cannabis konsumieren darf, wenn man Antidepressiva einnimmt, hängt vom jeweiligen Medikament und der persönlichen Gesundheitssituation ab. Eine ärztliche Rücksprache ist unbedingt erforderlich, da es zu riskanten Wechselwirkungen kommen kann.

Bei langfristiger gleichzeitiger Einnahme von Cannabis und Antidepressiva können sich Nebenwirkungen verstärken oder die Wirkung der Medikamente verändern. Zudem besteht das Risiko, dass sich die Psyche negativ entwickelt, etwa durch eine Verschlechterung der Depression oder eine verminderte Wirkung der Behandlung.

Ja, es gibt Studien, die sich mit der gleichzeitigen Einnahme von Cannabis und Antidepressiva befassen und auf Wechselwirkungen hinweisen.

Quellenangaben

  1. Bloomfield MA, Ashok AH, Volkow ND, Howes OD. The effects of Δ9-tetrahydrocannabinol on the dopamine system. Nature. 2016 Nov 17;539(7629):369-377, Download vom 08.05.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5123717/
  2. Hanson ND, Owens MJ, Nemeroff CB. Depression, antidepressants, and neurogenesis: a critical reappraisal. Neuropsychopharmacology. 2011 Dec;36(13):2589-602, Download vom 08.05.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3230505/
  3. Fogaça MV, Galve-Roperh I, Guimarães FS, Campos AC. Cannabinoids, Neurogenesis and Antidepressant Drugs: Is there a Link? Curr Neuropharmacol. 2013 May;11(3):263-75, Download vom 08.05.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3648779/
  4. De Gregorio D, McLaughlin RJ, Posa L et. al, Cannabidiol modulates serotonergic transmission and reverses both allodynia and anxiety-like behavior in a model of neuropathic pain. Pain. 2019 Jan;160(1):136-150, Download vom 08.05.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6319597/
  5. Fogaça MV, Galve-Roperh I, Guimarães FS et. al, Cannabinoids, Neurogenesis and Antidepressant Drugs: Is there a Link? Curr Neuropharmacol. 2013 May;11(3):263-75, Download vom 08.05.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3648779/
  6. Vaughn SE, Strawn JR, Poweleit EA et. al, The Impact of Marijuana on Antidepressant Treatment in Adolescents: Clinical and Pharmacologic Considerations. J Pers Med. 2021 Jun 29;11(7):615, Download vom 08.05.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34209709/
  7. Petzke F, Tölle T, Fitzcharles MA, Häuser W. Cannabis-Based Medicines and Medical Cannabis for Chronic Neuropathic Pain. CNS Drugs. 2022 Jan;36(1):31-44, Download vom 08.05.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34802112/
  8. Wilens TE, Biederman J, Spencer TJ. Case study: adverse effects of smoking marijuana while receiving tricyclic antidepressants. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 1997 Jan;36(1):45-8, Download vom 08.05.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9000780/
  9. Fisar Z. Inhibition of monoamine oxidase activity by cannabinoids. Naunyn Schmiedebergs Arch Pharmacol. 2010 Jun;381(6):563-72, Download vom 08.05.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20401651/