Im Jahr 2022 waren 2 % aller Verschreibungen von medizinischem Cannabis auf Übelkeit zurückzuführen.1 In der Fachsprache auch als „Nausea“ bezeichnet, kann anhaltende Übelkeit die Lebensqualität massiv einschränken. Hier erklären wir, wie medizinisches Cannabis bei Übelkeit helfen kann, für wen es sich lohnen könnte und welche Risiken diese Behandlung mit sich bringt.
Übelkeit (Nausea) beschreibt ein unangenehmes Gefühl im Magen-Darm-Trakt, welches üblicherweise vom Drang begleitet wird, sich übergeben zu müssen. Kommt es tatsächlich zur Entleerung des Mageninhalts, spricht man auch von Vomitus oder Emesis. Häufig treten Übelkeit und Erbrechen gemeinsam auf.
Typischerweise wird das Gefühl, sich übergeben zu müssen, von körperlichen Symptomen begleitet. Hierzu gehören meist:
Die Ursachen sind vielfältig und reichen von akuten Magen-Darm-Erkrankungen über Nebenwirkungen von Medikamenten bis hin zu chronischen Erkrankungen. Dementsprechend vielfältig sind auch die möglichen Ansätze, Übelkeit zu lindern.
Die Anwendung von medizinischem Cannabis gegen Übelkeit wird durch einige Studien unterstützt. Obwohl keine großangelegten klinischen Studien vorliegen, sind die bisherigen Ergebnisse vielversprechend.
Ein Großteil der Forschung konzentriert sich auf die Übelkeit, die durch eine Chemotherapie hervorgerufen wird. Da Chemotherapie-Patientinnen und -Patienten ohnehin schon vielen Belastungen ausgesetzt sind, möchte man ihre Übelkeit möglichst schonend lindern und im Idealfall den Appetit anregen. Hier hat sich medizinisches Cannabis als vielversprechend erwiesen.
Eine Studie der Universität Sydney (2020) untersuchte die Wirkung von medizinischem Cannabis auf Chemotherapie-Patienten und -Patientinnen, bei denen herkömmliche Antiemetika (Medikamente, die Erbrechen verhindern) keine ausreichende Linderung brachten.2 Es zeigte sich, dass 25 % der Teilnehmenden in der Cannabis-Gruppe keine Übelkeit und kein Erbrechen verspürten, im Vergleich zu 14 % in der Placebo-Gruppe.
Eine ähnliche Studie aus dem Jahr 20013 untersuchte 1.366 Chemotherapie-Patienten und -Patientinnen und stellte fest, dass medizinisches Cannabis gegen Erbrechen effektiver war als andere übliche Medikamente wie Metoclopramid, Prochlorperazine oder Domperidon.
Die letzte Untersuchung, die wir betrachten, stammt aus dem April 2022 und wurde erstmals im „Journal of Clinical Gastroenterology“ veröffentlicht.4 Hier wurden Daten aus der Releaf App ausgewertet. Mit dieser App können Cannabis-Nutzer ihren Gebrauch verfolgen. Sie wird von Menschen genutzt, die sich zum Beispiel aufgrund restriktiver Gesetzgebung selbst mit Cannabis behandeln. Mithilfe der App haben 886 Personen zwischen Juni 2016 und Juli 2019 insgesamt 2.220 Sitzungen erfasst, in denen sie ihre eigene Übelkeit mit Cannabis lindern wollten. Im Durchschnitt gaben 96,4 % der Nutzer an, dass ihre Symptome eine Stunde nach der Anwendung gelindert wurden. In den meisten Fällen trat die Linderung bereits 5 Minuten nach der Anwendung ein und nahm mit der Zeit weiter zu.
Die Wirkung von medizinischem Cannabis bei Übelkeit ist noch nicht vollständig erforscht, wird jedoch zu einem großen Teil über das Endocannabinoid-System (ECS) vermittelt. THC, der Hauptwirkstoff von medizinischem Cannabis, bindet an sogenannte CB1-Rezeptoren im Gehirn und im Verdauungstrakt und aktiviert diese.
Wie genau die Wechselwirkung mit den CB1-Rezeptoren abläuft und inwieweit sie an der brechreizhemmenden Wirkung beteiligt ist, wird derzeit noch erforscht.5
THC kann psychoaktive Effekte hervorrufen, die von einigen Patienten und Patientinnen als belastend empfunden werden kann. Da CBD hingegen keine psychoaktiven Effekte hat, wird es zunehmend als mögliche Alternative zur Behandlung von Übelkeit untersucht.
Einzelne Studien deuten darauf hin, dass CBD bei Übelkeit hilfreich sein könnte.6 Weitere Forschung ist jedoch notwendig, um die Wirksamkeit und die Mechanismen besser zu verstehen.
Bei der Anwendung von medizinischem Cannabis können verschiedene körperliche und psychische Nebenwirkungen auftreten, zu den häufigsten zählen:7, 8
Die Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis sind dosisabhängig und können individuell unterschiedlich sein. Bei Patienten und Patientinnen mit körperlichen oder psychischen Vorerkrankungen können Nebenwirkungen besonders häufig auftreten. Bleib daher während Deiner Therapie im engen Austausch mit der behandelnden ärztlichen Fachkraft, sie ist Dein erster Ansprechpartner / Deine erste Ansprechpartnerin.
Medizinisches Cannabis kann in bestimmten Fällen eine Option zur Linderung von Übelkeit sein, insbesondere bei Übelkeit, die durch Chemotherapie verursacht wird. Die Wirksamkeit hängt jedoch stark vom individuellen Gesundheitszustand ab, weshalb die Therapie ausschließlich unter ärztlicher Betreuung erfolgen sollte.
Die Auswahl eines geeigneten Cannabis-Präparats sollte immer individuell und in Absprache mit der behandelnden ärztlichen Fachkraft erfolgen. Studien zeigen, dass die inhalative Anwendung von Cannabis-Blüten eine schnelle Linderung bieten kann, da die Wirkstoffe direkt über die Lunge ins Blut gelangen. Für eine längere Wirkungsdauer können Cannabis-Extrakte oder Kapseln eine Option sein, da sie über den Verdauungstrakt langsamer, aber anhaltender wirken. Die Wahl der Darreichungsform hängt von Ihren individuellen Bedürfnissen und der gewünschten Wirkung ab.4
Die Geschwindigkeit der Wirkung hängt von der Darreichungsform ab. Bei der inhalativen Anwendung, wie z. B. durch Verdampfen von Cannabis-Blüten, kann die Wirkung oft schon nach wenigen Sekunden bzw. Minuten eintreten. Über die Mundschleimhaut dauert es etwas länger, während die orale Anwendung – z. B. in Form von Kapseln – am längsten braucht. Hier kann es 30 bis 120 Minuten dauern, bis die Wirkung einsetzt. Dafür hält die Wirkung bei der oralen Einnahme länger an, häufig vier bis acht Stunden. Die Wahl der Darreichungsform sollte individuell mit der behandelnden ärztlichen Fachkraft besprochen werden, da auch persönliche Faktoren eine Rolle spielen können.
Die Verwendung von Cannabis während der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. THC, der Hauptwirkstoff in Cannabis, kann die Plazenta passieren und die Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigen. Studien weisen auf mögliche Risiken hin, darunter Auswirkungen auf das Nervensystem des Kindes. Bitte sprich mit Deiner behandelnden Ärztin oder Deinem behandelnden Arzt über sicherere und besser erforschte Alternativen, die individuell für Dich infrage kommen können.9, 10
Die richtige Dosierung wird individuell durch den Arzt / die Ärztin festgelegt. Die Therapie beginnt in der Regel mit einer niedrigen Dosierung, die schrittweise angepasst wird. So lassen sich Nebenwirkungen minimieren und eine optimale Wirkung erzielen.
1. Häufigste Verschreibungsgründe von medizinischem Cannabis. (o. J.). Statista. Abgerufen 2. Dezember 2024, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1382480/umfrage/verteilung-der-haeufigsten-verschreibungsgruende-von-medizinischem-cannabis/
2. Grimison, P., Mersiades, A., Kirby, A., Lintzeris, N., Morton, R., Haber, P., Olver, I., Walsh, A., McGregor, I., Cheung, Y., Tognela, A., Hahn, C., Briscoe, K., Aghmesheh, M., Fox, P., Abdi, E., Clarke, S., Della-Fiorentina, S., Shannon, J., … Stockler, M. (2020). Oral THC:CBD cannabis extract for refractory chemotherapy-induced nausea and vomiting: a randomised, placebo-controlled, phase II crossover trial. Annals of Oncology, 31(11), 1553–1560. https://doi.org/10.1016/j.annonc.2020.07.020
3. Tramer, M. R. (2001). Cannabinoids for control of chemotherapy induced nausea and vomiting: quantitative systematic. BMJ (Clinical Research Ed.), 323(7303), 16–16. https://doi.org/10.1136/bmj.323.7303.16
4. Stith, S. S., Li, X., Orozco, J., Lopez, V., Brockelman, F., Keeling, K., Hall, B., & Vigil, J. M. (2022). The effectiveness of common cannabis products for treatment of nausea. Journal of Clinical Gastroenterology, 56(4), 331–338. https://doi.org/10.1097/MCG.0000000000001534
5. Rock, E. M., & Parker, L. A. (2016). Cannabinoids as potential treatment for chemotherapy-induced nausea and vomiting. Frontiers in pharmacology, 7. https://doi.org/10.3389/fphar.2016.00221
6. Rock, E. M., Limebeer, C. L., Pertwee, R. G., Mechoulam, R., & Parker, L. A. (2021). Therapeutic potential of cannabidiol, cannabidiolic acid, and cannabidiolic acid methyl ester as treatments for nausea and vomiting. Cannabis and Cannabinoid Research, 6(4), 266-274. https://doi.org/10.1089/can.2021.0041
7. Urits, I., Charipova, K., Gress, K., Li, N., Berger, A. A., Cornett, E. M., Kassem, H., Ngo, A. L., Kaye, A. D., & Viswanath, O. (2021). Adverse effects of recreational and medical cannabis. Psychopharmacology Bulletin, 51(1), 94–109. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33897066/
8. Zeraatkar, D., Cooper, M. A., Agarwal, A., Vernooij, R. W. M., Leung, G., Loniewski, K., Dookie, J. E., Ahmed, M. M., Hong, B. Y., Hong, C., Hong, P., Couban, R., Agoritsas, T., & Busse, J. W. (2022). Long-term and serious harms of medical cannabis and cannabinoids for chronic pain: A systematic review of non-randomised studies. BMJ Open, 12(8), e054282. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35926992/
9. Zuckerman, B., Frank, D. A., Hingson, R., Amaro, H., Levenson, S. M., Kayne, H., Parker, S., Vinci, R. J., Aboagye, K., Fried, L. E., & Bauchner, H. (1989). Effects of maternal marijuana and cocaine use on fetal growth. The New England Journal of Medicine, 320(12), 762–768. https://doi.org/10.1056/NEJM198903233201203
10. Rompala, G., Nomura, Y., & Hurd, Y. L. (2021). Maternal cannabis use is associated with suppression of immune gene networks in placenta and increased anxiety phenotypes in offspring. Proceedings of the National Academy of Sciences, 118(46), e2106115118. https://doi.org/10.1073/pnas.2106115118