Cannabis bei Rheuma als ergänzende Therapie

Aktuelle Studienlage und wie medizinisches Cannabis bei Rheuma wirken kann

Standardtherapien führen oft nicht zu vollständiger Beschwerdefreiheit;  Nebenwirkungen können zusätzlich belasten.Medizinisches Cannabis kann eine ergänzende Therapieoption sein, um  Schmerzen zu lindern und Entzündungen zu reduzieren.Bislang gibt es nur wenige qualitativ hochwertige Studien zur potenziellen Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei rheumatischen Erkrankungen.

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Letzte Änderung:

08.10.2025

Das Wichtigste in Kürze
  • Standardtherapien führen oft nicht zu vollständiger Beschwerdefreiheit;  Nebenwirkungen können zusätzlich belasten.
  • Medizinisches Cannabis kann eine ergänzende Therapieoption sein, um  Schmerzen zu lindern und Entzündungen zu reduzieren.
  • Bislang gibt es nur wenige qualitativ hochwertige Studien zur potenziellen Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei rheumatischen Erkrankungen.

Was ist Rheuma?

Rheuma ist kein einzelnes Krankheitsbild, sondern ein Sammelbegriff für viele Erkrankungen, die Gelenke, Muskeln, Sehnen oder Knochen betreffen. Zu den häufigsten Formen gehören die rheumatoide Arthritis, Arthrose, Gicht, Fibromyalgie sowie bestimmte Autoimmunerkrankungen wie Lupus.

Die häufigsten Symptome sind:

  • Gelenkschmerzen: Dumpfer, anhaltender Schmerz, besonders nach längerer Ruhe oder am Morgen.
  • Gelenkschwellung: Entzündete Gelenke, geschwollen, überwärmt, schmerzempfindlich.
  • Steifheit: Morgendliche Gelenksteifheit, die oft länger als eine Stunde anhält.
  • Müdigkeit und Erschöpfung: Chronische Müdigkeit, oft verstärkt durch körperliche Anstrengung.
  • Bewegungseinschränkung: Lang andauernde Entzündungen können Gelenke versteifen oder verformen.
  • Fieber und Unwohlsein: Akute Entzündungsschübe können mit leichtem Fieber und Krankheitsgefühl einhergehen.
  • Hautveränderungen: Bei der Psoriasis-Arthritis können Hautausschläge oder Strukturveränderungen der Haut auftreten.

Die genauen Ursachen sind nicht bei allen Rheuma-Formen bekannt. Häufig spielen mehrere Faktoren zusammen:

  • Fehlgesteuertes Immunsystem (Autoimmunreaktion)
  • Genetische Veranlagung
  • Infektionen
  • Überlastung oder Verletzungen der Gelenke
  • Ungünstiger Lebensstil (Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Rauchen)

Wie wird Rheuma behandelt?

In erster Linie zielt die Behandlung darauf ab, Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu reduzieren und die Beweglichkeit zu erhalten. Dazu werden häufig entzündungshemmende Medikamente wie Ibuprofen® oder Diclofenac® eingesetzt.

Bei stärkeren Entzündungen kann Kortison helfen, während sogenannte Basistherapeutika wie Methotrexat® das Fortschreiten der Krankheit langfristig verlangsamen können. Moderne Biologika können noch gezielter wirken, indem sie bestimmte Entzündungsstoffe blockieren.

Ergänzend sind regelmäßige Bewegung und Physiotherapie wichtig, um die Gelenke beweglich zu halten und die Muskeln zu stärken. Besonders geeignet sind schonende Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren. Auch Ergotherapie, Wärme- oder Kälteanwendungen und eine gesunde Ernährung können den Behandlungserfolg unterstützen.

Standardtherapien reichen oft nicht aus

In einigen Fällen erreichen Betroffene trotz medikamentöser Standardbehandlungen keine vollständige Beschwerdefreiheit. Zudem können Nebenwirkungen der Medikamente belasten. Aus diesem Grund könnten alternative Behandlungsmethoden, wie die Anwendung von medizinischem Cannabis, eine sinnvolle Ergänzung sein.

Warum ist das Endocannabinoid-System (ECS) bei Rheuma interessant?

Das Endocannabinoid-System (ECS) ist ein Regulationssystem im Körper. Es steuert unter anderem das Schmerzempfinden, Entzündungsprozesse und die Aktivität des Immunsystems. Bei rheumatischen Erkrankungen sind genau diese Prozesse aus dem Gleichgewicht. Das Immunsystem ist überaktiv, Entzündungen bleiben lange bestehen und verursachen Schmerzen.1

Über spezielle „Schaltstellen“, die Cannabinoid-Rezeptoren 1 (CB1) und 2 (CB2), kann das ECS Signale senden, die Entzündungen bremsen und Schmerzen dämpfen. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei der CB2-Rezeptor, da er sich vor allem an Immunzellen befindet und deren Aktivierung Entzündungsreaktionen abschwächen kann.2, 3

Da Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) aus der Cannabis-Pflanze an die Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems (ECS) binden können, könnte medizinisches Cannabis Rheuma-Erkrankungen beeinflussen.

Cannabis bei Rheuma: Was sagen Studien?

Bislang gibt es nur wenige kontrollierte klinische Studien, die jedoch vielversprechende Ergebnisse liefern. So konnte medizinisches Cannabis

  • bei rheumatoider Arthritis Schmerzen lindern. Die Patient:innen berichteten außerdem über eine bessere Schlafqualität und teilweise auch eine Verbesserung der Beweglichkeit.
  • bei Fibromyalgie Schmerzen spürbar verringern.

Allerdings waren die Studien sehr klein (meist nur einige Dutzend Teilnehmende), unterschiedlich in Dosierungen, verwendeten Präparaten (CBD allein, THC/CBD-Kombinationen, Pflanzenextrakte) und Behandlungsdauer. Zudem gibt es keine Erkenntnisse darüber, ob medizinische Cannabis-Präparate auch über Monate oder Jahre hinweg wirksam und sicher sind.4, 5, 6

Potenzielle Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis

Medizinisches Cannabis kann Nebenwirkungen auslösen. Wie ausgeprägt diese ausfallen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, wie zum Beispiel Einnahmeform, THC-Dosis, psychische Verfassung / Erwartung und individuelle Toleranz.

Unangenehme Effekte von medizinischen Cannabis können sein:7

  • Schwindel
  • Herzrasen
  • Erst hoher, dann abfallender Blutdruck
  • Übelkeit
  • Kopfschmerzen
  • Mundtrockenheit
  • Angstzustände bis hin zu Panikattacken
  • Heißhunger
  • Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
  • Verändertes Zeitgefühl und Orientierung
  • Verminderte Reaktionsfähigkeit

In der Regel wird eine Cannabis-Therapie mit einer geringen Dosis begonnen, weshalb die Nebenwirkungen meist eher schwach ausfallen. Es gibt jedoch auch Patientinnen und Patienten, die empfindlich auf THC reagieren und demzufolge stärkere Effekte spüren können. Wenn Du Dir unsicher bist, sprich mit Deiner behandelnden Ärztin oder Deinem behandelnden Arzt.

Cannabis und die Entstehung von Psychosen

Cannabis kann bei einigen Menschen psychotische Symptome auslösen (z. B. Verfolgungswahn, Halluzinationen oder Realitätsverlust). Das Risiko, im späteren Leben eine Psychose oder sogar Schizophrenie zu entwickeln, steigt vor allem bei regelmäßiger Anwendung, hohem THC-Gehalt sowie einer genetischen Veranlagung, etwa durch familiäre Vorbelastung.8 Solltest Du derartige Symptome bei Dir feststellen, informiere bitte unverzüglich Deine Ärztin oder Deinen Arzt.

Verordnung von medizinischem Cannabis bei Rheuma

Medizinisches Cannabis kann eine Ergänzung für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen sein. Vor allem, wenn sich die Beschwerden durch Standardtherapien nicht ausreichend verbessern.

Grundsätzlich kann medizinisches Cannabis auf einem Rezept verordnet werden, wenn eine Ärztin oder ein Arzt dies befürwortet. Dabei ist es wichtig, die Therapie gemeinsam zu planen, ein geeignetes Präparat sowie die passende Dosierung zu finden. Mögliche Präparate können beispielsweise medizinische Cannabis-Blüten, Cannabis-Vollspektrum-Extrakte als ölige Lösung oder Spray sein. Zusätzlich müssen mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten berücksichtigt werden.

Patientinnen und Patienten sollten realistische Erwartungen haben. Denn nicht jede Person reagiert gleich, und nicht alle Beschwerden können gelindert werden.

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Häufige Fragen

Ja, es gibt Hinweise, dass medizinisches Cannabis Schmerzen bei rheumatischen Erkrankungen lindern kann. Studien legen nahe, dass insbesondere bei Fibromyalgie eine deutliche Schmerzreduktion möglich ist und bei rheumatoider Arthritis entzündliche Parameter und das Schmerzempfinden zurückgehen können. Allerdings sind die Studien oft klein und nicht einheitlich, sodass die Wirkung nicht für alle gesichert ist.

Viele Patientinnen und Patienten berichten von einer Besserung der Schmerzen, einer besseren Schlafqualität und einer stabileren Stimmung. Teilweise konnten Schmerzmittel reduziert oder ganz abgesetzt werden. Wichtig zu wissen: Die meisten dieser Daten stammen aus Beobachtungsstudien oder Umfragen – streng kontrollierte klinische Studien sind bislang selten.

Ja, medizinisches Cannabis kann nur ärztlich verschrieben werden, vor allem wenn Standardtherapien nicht ausreichend wirken. Die Behandlung sollte individuell mit einer Ärztin oder einem Arzt abgestimmt werden, inklusive Sorte, Anwendungsform und Dosis.

Es kann in bestimmten Fällen eine ergänzende oder alternative Option sein, besonders wenn andere Schmerzmittel nicht ausreichend helfen oder starke Nebenwirkungen verursachen. Allerdings ersetzt es nicht automatisch alle klassischen Schmerzmittel und wirkt nicht bei allen Betroffenen gleich.

Klassische Medikamente wirken gezielt entzündungshemmend oder immunsuppressiv. Cannabis kann hingegen über das Endocannabinoid-System wirken, das Schmerzempfinden, Entzündungen und das Immunsystem reguliert. Die Wirkung von Cannabis ist damit anders, aber weniger gut erforscht als die von Medikamenten. In der Regel wird es ergänzend eingesetzt, nicht als alleinige Therapie.

Welche Cannabis-Sorte am besten geeignet ist, sollte grundsätzlich individuell mit der Ärztin oder dem Arzt festgelegt werden. Pauschal kann hier keine Empfehlung gegeben werden.

Quellenangaben

  1. Turcotte C, Blanchet MR, Laviolette M, Flamand N. The CB2 receptor and its role as a regulator of inflammation. Cell Mol Life Sci. 2016 Dec;73(23):4449-4470, Download vom 12.08.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5075023/
  2. Richardson D, Pearson RG, Kurian N et. al, Characterisation of the cannabinoid receptor system in synovial tissue and fluid in patients with osteoarthritis and rheumatoid arthritis. Arthritis Res Ther. 2008;10(2):R43, Download vom 12.08.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC2453762/
  3. Shah D, Murhekar S, Ward M, Sagane S, Pahwani A. The Efficacy and Safety of Use of Cannabis and Cannabinoid Products for Pain Relief in Orthopaedic Conditions and Trauma. Cureus. 2025 Jul 3;17(7):e87208, Download vom 12.08.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC12317335
  4. Fitzcharles MA, Baerwald C, Ablin J, Häuser W. Efficacy, tolerability and safety of cannabinoids in chronic pain associated with rheumatic diseases (fibromyalgia syndrome, back pain, osteoarthritis, rheumatoid arthritis): A systematic review of randomized controlled trials. Schmerz. 2016 Feb;30(1):47-61, Download vom 12.08.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26767993/
  5. Lynch ME, Campbell F. Cannabinoids for treatment of chronic non-cancer pain; a systematic review of randomized trials. Br J Clin Pharmacol. 2011 Nov;72(5):735-44, Download vom 12.08.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21426373/
  6. Wang T, Collet JP, Shapiro S, Ware MA. Adverse effects of medical cannabinoids: a systematic review. CMAJ. 2008 Jun 17;178(13):1669-78, Download vom 12.08.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18559804/
  7. Meier MH, Caspi A, R Knodt A et. al, Long-Term Cannabis Use and Cognitive Reserves and Hippocampal Volume in Midlife. Am J Psychiatry. 2022 May;179(5):362-374, Download vom 12.08.2025 von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9426660/